Morse-Telegrafie ist die einfachste Betriebsart, die es bei der drahtlosen Übermittlung von Informationen über Funkwellen gibt. Sie bedient sich des von Samuel F.B. Morse eigentlich für drahtgebundene Übermittlung von Nachrichten entwickelten und nach ihm benannten Codes, der aus kurzen (Punkten) und langen (Strichen) Signalen besteht. Jedem Buchstaben, jeder Zahl und jedem Satzzeichen entspricht eine einzigartige Folge von kurzen und / oder langen Tönen.
In der Funktechnik werden die Töne durch Tastung des Sendesignals gebildet. Diese Betriebsart hat den Vorteil, dass sie nur extrem wenig Bandbreite im Wellenspektrum beansprucht. Zum Vergleich: Sprachsignale benötigen etwa 3000 Hz, farbige Fernsehbilder mehrere MHz, Morsetelegrafie jedoch nur 250 Hz oder weniger. Dadurch ist die übertragene Information weit weniger empfindlich gegen Störungen und ist auch noch bei schwachem Signal (geringem Rauschabstand) zu lesen.
Das Beherrschen der Morsetelegrafie im Hören und Geben ist seit einigen Jahren nicht mehr Bestandteil der Amateurfunk - Prüfungen, da man allgemein der Auffassung ist, dass diese Betriebsart im Zeitalter der Mobiltelefone und Satellitentechnik überflüssig geworden ist. Damit ist, so kann man befürchten, der Tastfunker zu einer bedrohten Spezies geworden und im Aussterben begriffen. Immerhin gehört die Morsetelegrafie aber seit Ende 2014 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.
Trotzdem gibt es in der internationalen Gemeinschaft der Funkamateure immer noch viele, die Morsetelegrafie verwenden, eben weil sie nur ein Minimum an Technikeinsatz erfordert und weil man damit auch bei schwachen Signalen immer noch beim Funkpartner gehört werden kann.
In meiner Funkbude ist unter anderen auch ein kleines QRP - Funkgerät vertreten. Warum? Irgendwie macht es immer wieder Spaß, mit 5 Watt auszuprobieren, wie weit man damit kommen kann. Im letzten CQ WW CW DX Contest habe ich damit z.B. Länder wie China, Japan, Brasilien, die USA, Canada und die Karibik erreicht. Klar, man kommt nicht immer sofort zum Zuge, aber mit ein bisschen Geduld klappt es schließlich, und man bekommt den ersehnten Report. Das funktioniert natürlich umso besser, wenn die Gegenstation gute Ohren und eine große Richtantenne hat.
Wie aber erlernt man die Morsetelegrafie?
Morsezeichen sind mit einer fremden Schrift zu vergleichen. Erinnern Sie sich, wie Sie als Erstklässler in der Grundschule Lesen und Schreiben gelernt haben? So ähnlich funktioniert es auch mit dem Morsen, nur dass die Zeichen nicht mit dem Auge wahrgenommen werden sondern als Klang mit dem Ohr. Also sind Morsezeichen auch mit einer Fremdsprache zu vergleichen, jedoch müssen Sie nicht tausende von Wörtern und auch noch eine schwierige Grammatik lernen, sondern “nur” 26 Buchstaben, zehn Ziffern und ein paar Satzzeichen.
Um die deutsche (eigentlich lateinische) Schrift lesen und schreiben zu lernen, brauchen die Schulanfänger mehr oder weniger ein Jahr. Für die Morsetelegrafie brauchen Sie vielleicht auch ein Jahr, aber viele schaffen es auch in 3 bis 6 Monaten, je nach Lernwillen und Intensität des Trainings. Denn den Willen und die Disziplin muss man auf jeden Fall haben und natürlich muss man auch die Zeit dafür investieren. Um am Ende fließende QSOs zu fahren und womöglich auch fit für einen CW-Contest zu werden, heißt es, wie beim Erlernen eines Musikinstruments: üben, üben, üben, und das möglichst jeden Tag.
Die nach dem deutschen Psychologen Ludwig Koch benannte und von ihm entwickelte Methode wird allgemein als die beste Methode zum Erlernen der Morsetelegrafie betrachtet. Sie beruht darauf, auf keinen Fall beim Hören der Morsezeichen Punkte und Striche zu zählen. Dies funktioniert bei höheren Geschwindigkeiten nicht mehr. Deshalb werden die Zeichen auch von Beginn an nicht extrem langsam abgespielt - das würde zum Mitzählen verführen -, sondern mit normaler Geschwindigkeit, so etwa 60 - 75 BpM, aber zu Beginn mit längeren Pausen zwischen den Zeichen.
Man muss sich also den Klang eines Zeichens einprägen. Ein dah-di-dah muss ohne jeden Umweg über den analytischen Teil des Gehirns sofort als der Buchstabe “K” erkannt werden. Die Koch - Methode beginnt mit zwei verschiedenen Zeichen, die solange geübt werden, bis sie sitzen. Dann werden zwei weitere hinzu genommen. Es werden Pseudo - Texte abgespielt, die nur aus diesen Zeichen bestehen und möglichst fehlerfrei mitgelesen bzw. mitgeschrieben werden müssen. Dann werden wieder zwei neue Zeichen eingeführt und so weiter, bis das ganze Alphabet, die Ziffern und die Satzzeichen komplett beherrscht werden.
Zum Erlernen der Morsetelegrafie stehen Ihnen im Internet einige nützliche Hilfsmittel zur Verfügung, die Ihnen das Erreichen dieses Zieles erleichtern. Da wäre zum Beispiel als erstes ein Buch, das ich Ihnen wärmstens empfehle, und das Sie es unbedingt vor (!) der ersten Morsezeichen-Lektion lesen und verinnerlichen sollten.
Das Buch hat den Titel ‘Die Kunst der Radiotelegrafie’, ist im Original unter dem Titel ‘The Art and Skill of Radio-Telegraphy’ von William G. Pierpoint, N0HFF, geschrieben und von Olaf Rettkowski, DL9AI, ins Deutsche übersetzt worden. Das Buch ist lizenzfrei und darf, ja soll sogar, an jeden Interessierten weiter gegeben werden. Sie können es hier unter dem nachfolgenden Link herunterladen.
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